Lean ist wie ein Bambus der austreibt

1. Status Quo Lean

Gespräche mit Entscheidern verdeutlichen immer mehr, dass viele Unternehmen an einem Scheidepunkt stehen. Es geht um die Entscheidung, in welche Richtung das bestehende Produktions- bzw. Operations-System entwickelt werden soll.

Von ”Lean flaut gerade ab…und wird mehr zum Ratioprojekt« bis hin zu »Es ist flächig umgesetzt und wir wollen den Sprung auf das nächste Level machen…« sind alle Reifegrade vorhanden.

2. Die Wurzel des Problems

Vielerorts widmen die Entscheider dem Thema »Lean« keine zu große Aufmerksamkeit mehr. Die erste Euphorie ist verflogen und nun »macht« man halt »Lean«. Damit beginnen dann auch die Schwierigkeiten. Wenn die Energie nachlässt, schleichen sich alte Gewohnheiten und schon vergessene Probleme wieder ein. Meist deshalb, weil der Schritt von einem »Lean-Event« hin zum ganzheitlichen Ansatz nicht vollführt wird.

Die Gier nach Ratiopotentialen in kurzer Zeit hat viele Entscheider geblendet und die Organisationen haben verpasst zu lernen, wie man lernt, Problemlösung selbständig täglich am »Gemba« erfolgreich zu betreiben! Nachdem der süße Zuckerguß von der Lean-Torte abgeleckt war, kam der trockene Boden zum Vorschein, der nicht mehr so süß und cremig durch den Hals ging. Also hat man ihn eher stehen gelassen. Hier braucht es neue und vor allem anders geleitete Energie mit einem anderen Fokus.

Daher stehe ich für den Aufbau von »organischen Produktionssystemen« von Beginn an. Man sagt, in China gibt es wohl eine Bambusart, die 5 Jahre in der Erde verweilt, bis sie austreibt. Bis dahin muss sie regelmäßig gedüngt, gewässert und der Boden gepflegt werden. Doch dann, nach den 5 Jahren treibt sie aus und wächst knappe 30 Meter in wenigen Wochen. Die Frage ist nun, wann hat sie begonnen zu wachsen? Vor oder nach den 5 Jahren?

3. Nachhaltigkeit, aber wie?

Ich sehe den Aufbau von zwei zentralen Fähigkeiten als wesentlich für den Erfolg jeglicher Lean-Aktivität. Das tiefe Durchdringen des Problemlösezyklus‘ und die Förderung von Leadership-Skills bei den beteiligten Personen bzw. den Nextgen-Führungskräften. Beides muss von den Führungsebenen geleistet werden, bevor es zur Übergabe von Verantwortung nahe an den Prozess der Wertschöpfung geht.

Mit mechanistischen „Lean-Events“ gestaltet man »one-shot Spungverbesserungen« für die nächste Bilanz. »Organische« Produktions-Systeme hingegen gestalten die Zukunft des Unternehmens, da sie sich laufend an neue Rahmenbedingungen anpassen können.

Kontinuierliches Mentoring der Führungsebenen zur Verinnerlichung von Problemlösungskompetenz sowie des Rollenverständnisses als Leader sind die zwei wesentlichen Stellhebel dazu.

4. Das Schwungrad

Jim Collins spricht in seine Begleitschrift zu »From Good to Great« von dem »Schwungrad«, was entscheidend ist aus seiner Sicht, für den Erfolg von exzellenten Unternehmen. Lean Management kann so ein Schwungrad sein, dessen Dynamik sich mehr und mehr verstärkt und stets neue Potentiale zutage fördert. Dieses »Schwungrad« kann nur ein »organisches« Produktions- bzw. Operations-System sein.

Bleiben Sie neugierig,

Ihr Markus Mersinger

 

 

Podcast: Wie kann Operational Excellence in der Gesamtorganisation umgesetzt werden? Ein Operationsexperte gibt Einblicke.

Karl-Heinz Pöhlmann ist seit 2021 Senior Vice President bei der Surteco SE. Dort verantwortet er Operational Excellence für die weltweit 19 Produktionsstandorte. Als Executive verfügt Karl-Heinz Pöhlmann über mehr als 20 Jahre Führungserfahrung in den Bereichen Entwicklung, Produktion, Planung, Einkauf und Logistik bei führenden Unternehmen der Automobil- und High-Techindustrie. Schon vor Jahren begann er mit der Digitalisierung von Geschäftsprozessen entlang der Wertschöpfungskette, welche den von ihm geführten Unternehmen mehrfach Auszeichnungen und Preise einbrachten. Wer wenn nicht er kann etwas Praxisnahes zum Thema Lean und Operational Excellence sagen?

Die Herausforderungen bei der Surteco SE sind vielfältig. In einem organisch und anorganisch gewachsenen Unternehmen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Lösungen in den Geschäftsprozessen, welche im ersten Schritt weitestgehend standardisiert werden müssen, um der Automatisierung und Digitalisierung Vorschub zu leisten. Aus dem Methodenbaukasten des Lean Managements setzt er neben bewährten Werkzeugen auf auch neuere Methoden, wie beispielsweise Wertstromanalyse 4.0 oder Process Mining, an deren Entstehung er von Anbeginn mitgewirkt hat. Er sagt: „Es geht um ein scheinbares Paradox: die größtmögliche Individualisierung der Wertschöpfungsprozesse erfordert die größtmögliche Prozessstandardisierung“.

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Markus Mersinger ist Redner und Business Experte und leidenschaftlicher „Grenzenüberschreiter“. In mehr als 20 Jahren hat er zahlreiche Change-Programme verantwortet, Unternehmen verbessert und Menschen in Ihrer Entwicklung begleitet. Zum Querdenken herausfordern, zu innovativen Lösungsstrategien inspirieren, die zielorientierte Umsetzung begleiten – das ist sein Weg. Seine Expertisen sind Lean Management und Führungskräfteentwicklung. Besonderes Interesse schenkt er dabei den Themen „Selbstwirksamkeit“ und „Operativer Exzellenz“.
In seinen Vorträgen ruft er mit einem Augenzwinkern zum „Grenzen überschreiten“ auf. Er gibt dabei aus seiner facettenreichen Lebenserfahrung Einblicke zum Thema Veränderung & Wachstum und schafft es, passende Impulse zu liefern.

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GEMBA mit Symbolen Lean Management
  1. Prolog
  2. Woher kommt Lean Management?
  3. Was ist Lean Management einfach erklärt?
  4. Warum Lean Management?
  5. Wie kann Lean Management eingeführt werden?
  6. Welche Prinzipien bilden die Basis für ein Lean Management?
  7. Wie funktioniert Lean Management?
  8. Welche Lean Methoden und Funktionen gibt es?
  9. Epilog

1. Prolog

Lean Management beinhaltet zweierlei Elemente. Zum einen ist es ein Gedanken- bzw. Organisationsmodell. Und zum anderen stehen dahinter ganz konkrete Methoden zur Gestaltung eines sehr verschwendungsarmen Kundenauftragsablieferungsprozess über das gesamte Unternehmen. Damit ist schon etwas Wichtiges gesagt. Es findet Anwendung im gesamten Unternehmen. Viele Firmen nehmen immer noch an, das Lean Management ein rein für die direkten, also produktionsnahen, Prozesse geeigneter Managementansatz ist. Nein, das Gedanken- und Methodenmodell kann überall angewendet werden, wo es einen Kunden und einen Lieferanten gibt.

2. Woher kommt Lean Management?

Lean Management kommt aus Japan und dessen Entwicklung wurde Ende der 60er Jahre von Toyota begonnen. Wohl bekannter ist der Begriff Lean Production, der eine Art Vorläufer von Lean Management ist. Maßgeblicher Gestalter von Lean Production war Taiichi Ono, der in den 60er Jahren das Produktionssystem von Henry Ford analysierte und es weiterentwickelte. Eine sehr zentrale Veränderung war, dass Ōno seinen Arbeitern die Möglichkeit gab, das Fließband anzuhalten, wenn es ein Problem gab. Ziel war und ist es, das Problem an Ort und Stelle nachhaltig zu lösen.

3. Was ist Lean Management einfach erklärt?

Lean Management ist ein Organisations- und Methodenmodell. Es hat den Fokus auf absolute Werterzeugung aus Sicht des Kunden sowie auf die kontinuierliche Verbesserung der daran beteiligten Prozesse. 

Ziel ist eine maximale Wertschöpfung, d.h. eine minimale Verschwendung von Ressourcen. Für die bezahlt der Kunde schließlich auch nicht.

Ressourcen sind Arbeitszeit, Lieferzeit, Material, Platz (bspw. Lager), Gesundheit (Sicherheit). Mithilfe eines klaren und messbaren Zielzustandes wird kontinuierlich der Istzustand weiterentwickelt, bis der neue Zielzustand erreicht ist. Dabei richtet sich der Fokus ausschließlich auf das was die Kunden benötigen. 

Die Verbesserungen geschehen direkt vor Ort durch die Mitarbeiter, die die Prozesse gut kennen und täglich durchführen. Genutzt wird die Methode Plan-Do-Check-Act. Sobald ein Problem gelöst wurde, entsteht ein neuer Standard. Dieser gewährleistet, dass der Prozess anhand der neuen Erkenntnisse und Festlegungen durchgeführt wird und vorerst fehlerfrei arbeitet. Bis zum nächsten Problem 😊.

4. Warum Lean Management?

in erster Linie ist Lean Management eine Management-Philosophie, die absolut darauf fokussiert, aus Sicht des Kundens Werte zu schaffen. Also Fokus auf Customer’s Voice. Wirtschaftlich betrachtet verbirgt sich dahinter, diese Werte möglichst ökonomisch herzustellen. Also geringe Verschwendung bei hoher Qualität. Wie Sie erkennen konkurrierende Ziele. Aus gutem Grund. Denn keines der beiden Ziele geht nun zu Lasten des anderen, sondern es entsteht stets etwas als bester Kompromiss beider. Die Dritte Komponente ist die kontinuierliche Verbesserung, um den o.g. Kompromiss stets zu verbessern. Verschwendung betrifft das Spannungsfeld Zeit, Kosten, Qualität. Darüber definiert sich die Wettbewerbsfähigkeit, sofern man keine Monopolstellung hat.

5. Wie kann Lean Management eingeführt werden?

Lean Management bedeutet gerade zu Beginn einen signifikanten Wandel von allem, was man im Rahmen einer Kunden-Lieferanten-Beziehung bisher gemacht hat. Daher empfiehlt es sich zuerst in einem abgeschlossenen Bereich „sog. „Leuchtturm-Projekte“ durchzuführen. Hier kann die Organisation an einem guten, funktionierenden Modell lernen und die Ideen und Konzepte in die Organisation tragen. Fehleschläge haben in diesen abgeschlossenen Bereichen weniger Rückstoß auf die Organisation und erzeugen damit dann auch keinen „schlechte Presse“. Denn, ist das Thema einmal verbrannt, dann bekommen Sie es nicht mehr auf die Straße gesetzt. Achten Sie daher auch auf „Saboteure“ im Bereich bzw. in der Organisation und entmachten Sie diese zügig.

6. Welche Prinzipien bilden die Basis für ein Lean Management?

Toyota begann nach dem 2. Weltkrieg seine Autoproduktion wieder hochzufahren. Durch die isolierte Lage des Inselstaates hatte Toyota 2 Herausforderungen zu bestehen. Zum einen waren Rohstoffe knapp. Zum anderen schlug, aufgrund der geringen Anzahl von Kunden (Inselstaat!) das individuelle Kundenbestellverhalten direkt auf die Produktion durch. Es gab keine Skalen- bzw. Mengeneffekt, die ein anonymes fertigen von Aufträgen zuließ. Somit sah sich Toyota dem Problem gegenüber, Methoden zu entwickeln, die 3 Anforderungen genügen mussten:

  • 100% Kundenorientierung = Produktion im Kundentakt
  • 100% Qualität = 0 Fehler
  • 100% Wertschöpfung = 0% Verschwendung

Diese 3 Anforderungen verteilen sich auf die nachfolgenden Vorgehensweisen:

  • Prozesse synchronisieren
  • Prozesse standardisieren
  • Fehler vermeiden
  • Anlagen verbessern
  • Mitarbeitende trainieren 

Zusammengefasst werden häufig 4 wesentliche Elemente genannt:

  • Qualität im Prozess erzeugen
  • Fluss
  • Takt
  • Ziehende Prozesse (Pull)

Für das eigentliche Management des Verbesserungsprozesses sind besonders folgende Methoden und Werkzeuge zu nennen.

  • Hoshin Kanri
  • Shopfloor-Management
  • Ist-/Zielzustandarbeit
  • Verbesserungs-Routinen (Kata)

Voraussetzungen für alles o.g. sind jedoch:

  • 100% Bereitschaft des Top Managements, die Methoden flächig einzuführen
  • Akzeptanz, das manches zuerst schlechter wird, bevor sich deutliche Leistungssteigerungen einstellen
  • Abgabe von Verantwortung an die Mitarbeiter
  • Management kümmert sich vermehrt um strategische Fragestellungen

7. Wie funktioniert Lean Management?

Lean Management richtet alle Prozesse im Unternehmen auf den Kunden und Wertschöpfung aus. Zentral dabei ist die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse am Ort des Geschehens und die Abschaffung von Verschwendung. Probleme werden möglichst sofort und nachhaltig gelöst. Dazu verlagert Lean Management bewusst die Verantwortung für die Problemlösung an den Mitarbeiter. Nur die Zielvorgaben werden durch den Vorgesetzten, auf Basis einer über alle Ebenen heruntergebrochenen Unternehmensstrategie, abgeleitet. Ein iterativer Verbesserungskreislauf (Plan Do Check Act, PDCA) ist die Grundlage für den laufenden Abgleich zwischen Ist- und Sollzustand.

Zu Beginn steht die Entwicklung der Vision und die Unternehmensstrategie. auf der Basis entsteht ein Zielbild auf Top Ebene. Dieses Zielbild wird in mehreren Schleifen über alle Unternehmensebenen heruntergebrochen und mit Kennzahlen versehen. Es geht darum herauszuarbeiten, welchen Beitrag jeder Unternehmensbereich an dem gesamten Zielbild auf Top Ebene leisten kann bzw. sogar muss. Am Ende des Prozesses besitzt jeder Bereich ein Zielbild, meist auf 3 Jahre ausgelegt. Dieses übersetzen die Bereiche für sich in einen Zielzustand mit 12 Monatsperspektive, welcher dann nochmals in sog. Etappen (meist Quartale) heruntergebrochen wird.

Mit diesen Etappen-Zielzuständen beginnt die kontinuierliche Verbesserung entlang des Istzustandes und der Gegenüberstellung relevanter Messgrößen nach dem PDCA-Zyklus.

8. Welche Lean Methoden und Funktionen gibt es?

Alles was sich aus der o.g. Anforderungen und Prinzipien entwickelte sind Methoden für Probleme von Toyota, denen sie sich gegenübersahen. D.h. auch, dass sie angepasst werden müssen und nicht einfach nur implementiert.

Beispielhaft stehen folgende Methoden und Rollen besonders für die Umsetzung von „Lean“:

Methoden

Methoden 

Rollen

5S

Supermarkt

Hancho

Kanban

Andon

Instandhaltungs-Team

Nivellieren/Glätten

Hoshin Kanri

Insellogistiker

SMED

Shopfloor-Management

Linienlogistiker

Jidoka

Ist-/Zielzustände

Rüstteams

Best Point

PDCA

„Reißleinen“-Team

Milk Run

Just in time Anlieferung

TPM

Wertstromanalyse/Wertstromdesign

Shadow Boards

9. Epilog

In meinen Projekten, in welchem wir „Lean“ einführen, sag ich stets „kapieren, nicht kopieren“! Es geht darum, die Grundideen der Prinzipien und Methoden zu durchdringen. Dann ist man auch fähig, diese für das eigene Problem anzupassen und umzusetzen. Lean ist nichts, was aus dem Regal geholt wird, aufgebaut wir und es läuft dann. Neben der Einführung der Methoden ist eine größere Aufgabe, die neue Art der Auftragsabwicklung im Unternehmen zu vermitteln. Daher ist es wichtig, die Menschen zu trainieren und dauerhaft zu begleiten. Ebenso wichtig ist es, Kompetenzträger aufzubauen, die als Trainer wiederum Trainer ausbilden. Somit entsteht eine Dynamik, die nach und nach eine neue Kultur etabliert hin zur lernenden Organisation. Und dieses Modell passt wunderbar in die heutige Welt der steten Ungewissheit und Notwendigkeit der schnellen Anpassung.